Buch: Koppehele, Gabi: Märchen erleben mit Kindern von 1-3 Jahren. Erste altersgemäße Begegnung mit bekannten Märchen. (2011)
Ausstattung: Paperback, 40 Seiten.
Inhalt: Eine knappe und übersichtliche Anleitung, wie man mit den ganz kleinen Kindern Märchen lesen und spielerisch bearbeiten kann. Präsentiert werden vier bekannte Märchen der Grimms und ein weniger bekanntes Märchen (Der Kobold und die Ameise). Dazu gibt es zahlreiche didaktische Vorschläge.
Rezension:
Vor ziemlich genau einhundert Jahren erläuterte die Psychologin Charlotte Bühler ihre These vom sogenannten „Märchenalter“, das sie vom etwa 4. bis zum 7. Lebensjahr ansetzte. Bis heute hat diese These im Wesentlichen ihre Gültigkeit behalten, auch wenn Märchenpädagogen und -didaktiker bemüht sind, Märchen für nahezu alle Altersgruppen für wichtig zu erklären und entsprechend didaktisch aufzubereiten. Nicht selten wurde aus Bettelheims These „Kinder brauchen Märchen“ „Jeder braucht Märchen“. Jedoch ging es dabei meist darum, das Alter heraufzusetzen für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene anstatt es herabzusetzen.
Deshalb ist der Versuch von Gabi Koppehele sehr spannend. Kann es gelingen, wie hier behauptet, Märchen für Kinder von 1-3 altersgemäß aufzubereiten? Man mag es kaum glauben, denn es gelingt ihr überzeugend! Ihr Märchen-Heft bietet einen didaktisch knappen, aber sinnvoll gehaltenen und vollständigen Überblick über einen möglichen ersten Zugang mit Märchen: mit einem kurzen theoretischen Überbau, einer begründeten Märchenauswahl, gefolgt von fünf Märchentexten, die auch als Kopiervorlage dienen können.
Die Textauswahl orientiert sich an den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm und folgt, das finde ich sehr sinnvoll, dem Originalwortlaut. Wiedergegeben werden „Der süße Brei“ (KHM 103), „Der goldene Schlüssel“ (KHM 200), „Die Sterntaler“ (KHM 153), „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“ (KHM 5); außerdem das Märchen „Der Kobold und die Ameise“ von Ulrike Blaschek-Krawczyk.
Es folgen Hinweise, wie man diese Märchen erzählend inszenieren sollte, und zu jedem der Märchen gibt es eine Reihe von didaktischen Vorschlägen, wie man den Kleinen Zugänge zu diesen Märchen eröffnen könnte. Dazu gehören bestimmte Aktionen (z.B. Töpfe mitbringen und sinnlich erfahren, eigenen Brei kochen), aber auch ergänzende Gedichte und Lieder.
Drei solcher Lieder, komponiert von der Autorin selbst, befinden sich neben Märchensymbolkarten und einer tabellarischen Übersicht über die Bezüge der Märchen zum „Bildungsplan“ im Anhang. Die Lieder selbst sind sehr einfach gehalten und damit auch altersgerecht, allerdings sind sie nicht ganz leicht nachzuspielen, weil der Notensatz teilweise fehlerhaft ist (manchmal fehlende Taktstriche, vgl. S. 32) und manchmal auch ein wenig disharmonisch wirkt (vgl. S. 33).
Anhand Koppeheles Darstellung und Vorschläge wird deutlich, dass die Autorin vom Fach ist und offensichtlich selbst über viel Praxiserfahrung, aber zugleich über eine fundierte Märchenkenntnis verfügt. Das zeigt zum Beispiel ihr Hinweis, dass die Grimms ganz bewusst das Märchen „Der goldene Schlüssel“ immer ans Ende ihrer Märchensammlung gestellt haben.
Insgesamt kann man sagen, dass es Koppehele gelingt, ihren Anspruch einzulösen, Märchen für ganz kleine Kinder zwischen ein und drei Jahren erzählerisch und spielerisch aufzubereiten. Dennoch soll Folgendes kritisch angemerkt werden: Das Büchlein kann man mit gerade einmal 40 Seiten kaum als Buch, sondern eher als Heft bezeichnen. Die Kürze wird LeserInnen sicherlich entgegenkommen, wenn sie sich einen schnellen Überblick wünschen, ohne in die Tiefe gehen zu wollen, aber der Ladenpreis von 16,90€ ist recht hoch. Die Kürze hat auch noch einen anderen Nachteil, denn an manchen Stellen fehlen auch wichtige Informationen. So wird zum Beispiel das Märchen „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“ zum Ende hin drastisch gekürzt, ohne die LerserInnen darüber zu informieren. Mit Blick auf die Zielgruppe ist dies jedoch didaktisch sinnvoll.
Fazit: Dieses Heftchen ist praktisch für alle KITAs, die Unter-Dreijährige betreuen. Den Serviceteil des Buches könnte man ausbauen. Man könnte zum Beispiel die Märchenauswahl erweitern, didaktische Hinweise und Spiele ergänzen und näher ausführen und mit weiteren Kopiervorlagen und Ausmalbildern bestücken.