Buch: Engel, Christine: Die Sonnentöchter oder: Ein wiedergefundenes Paradies. Eine tiefenpsychologische Interpretation des Märchens. Stuttgart 2010.
Ausstattung: Paperback, 76 Seiten plus CD.
Inhalt: Das Buch präsentiert das Märchen „Die Sonnentöchter“ als Drucktext und als Hörbuchfassung auf CD. Außerdem gibt es eine Interpretation zu diesem Märchen.
Kurzbewertung: Ein symbolträchtiges Märchen mit einer Reihe von Interpretationsansätzen. Die Qualität der Hörfassung lässt leider zu wünschen übrig. Interessant könnte diese Publikation für Zuschauer/innen des gleichnamigen Tanzmusicals sein, die sich näher mit dem Märchen auseinandersetzen möchten.
Rezension
„Die schönste, anregendeste (sic!) und aufregendste Reise geht nicht in ferne Länder, sondern zum eigenen Selbst“, heißt es auf Seite 19. Und in der Tat können Märchen und die Auseinandersetzung mit ihnen dazu dienen, sich selbst besser zu erkennen, vielleicht sogar bisher unbewusst gebliebene eigene Wünsche, Sehnsüchte und Gefühle zu entdecken.
Das Buch bietet als Vorlage hierfür das Märchen „Die Sonnentöchter“ (S. 5-15), das auch auf der beiliegenden CD als Märchenlesung inszeniert wird. Auf Nachfrage bei der Autorin wurde deutlich, dass es sich um ein selbst verfasstes Märchen handelt, das Buch selbst verrät darüber nichts.
Auf den Märchentext folgt eine „tiefenpsychologische Interpretation“ (so auch der Untertitel dieses Buches), die sich weitgehend linear an der erzählten Handlung orientiert. Die Analyse wird – leserfreundlich – kapitelmäßig unterteilt und enthält mitunter einige interessante Bezüge zu verschiedenen Autoren und Texten. So orientiert sich der Interpretationsstil stark an Eugen Drewermann, aber auch literarische Bezüge zu Goethe, Dantes „Göttlicher Komödie“ oder auch zu Clemens Brentano lassen sich finden.
Im Mittelpunkt der Interpretation steht die Suche des Menschen nach dem Glück innerhalb einer Welt, die als „bipolar“ gekennzeichnet werden könnte. Die Pole bilden das weibliche und männliche Prinzip oder auch die Wärme und die Kälte. Dass das „Ziel“ aber – laut der Autorin – letztlich so formuliert wird, dass es darum gehe, „in ein ‘Paradies auf Erden‘ zu kommen“ (S. 69), ist für die eine oder den anderen vielleicht doch etwas hoch gegriffen. Märchen können unterhalten, erfreuen, zum Nachdenken anregen und vielleicht auch einen kleinen Beitrag zum eigenen Glücksempfinden leisten, aber sicherlich kein „Paradies auf Erden“ schaffen – allenfalls in der Phantasie.
Dass die Autorin mit dem Künstlernamen „Merit en Aton“ eine Tänzerin ist, durchzieht immer wieder den mit ihr selbst bebilderten Text. Man merkt, dass sie ihr eigenes Märchen lebt und dies gerne ihren Leserinnen und Lesern weitergeben möchte. Ich vermute allerdings, dass man von dem Märchen eher dann „erfasst“ werden kann, wenn man es live als Tanzdarbietung erlebt (wenn man mit dieser Kunstform etwas anfangen kann). Das Buch allein (neben der leider qualitativ eher schlecht produzierten CD) ist dafür eher nicht das passende Medium.
Fazit: Vor allem ein Märchen für „Sonnentöchter“ – Ein Buch für interessierte Erwachsene, nicht aber für Kinder, auch wenn sie in der Rahmenhandlung des Märchens als die eigentlichen Adressaten angesprochen werden.